Ulan-Bator – Jining/Ulanqab
Am morgen war es noch nicht klar, aber jetzt sitzen wir schon wieder im Zug. Und auch wohin es gehen würde, war am morgen noch nicht klar, aber es wird jetzt der chinesische Grenzort Erlian. Ich liebe es, wenn es auf einer Reise so spontan zugeht und sich Dinge einfach ergeben, weil man locker auf sie zugeht.
Heute früh haben wir erst einmal ausgeschlafen und dann noch ordentlich Frühstück gegessen. Wir müssen allerdings feststellen, dass unsere Mägen in den letzten Tagen schon etwas kleiner geworden sind, da die Verpflegung nicht ganz ideal ist, stört uns aber auch nicht weiter. Chips und Kekse habe schließlich auch was für sich. Ich habe mich zu einem Stadtrundgang aufgemacht. Der erste Halt war am Suche-Bator-Platz. Neben einer Reiterstatue von Suche Bator (hat den Befreiungskampf gegen die Chinesen vor ca. 100 Jahren angeführt), gibt es dort auch das Parlamentsgebäude und einen davor sitzenden Dschingis Khan (hat u.a. Teile Chinas unterworfen).
Weiter ging es über eine Kneipenmeile mit Gastronomieangeboten aus verschiedensten Ländern bis hin zum Bahnhof, um die Weiterfahrt zu klären. Tickets können im Gebäude links neben dem Bahnhof gekauft werden. Inlandstickets gibt es im Erdgeschoss und in der 1. Etage werden Tickets für die Züge nach China und Russland verkauft. Erstmal machte die Kassiererin aber Mittagspause, die auch deutlich überzogen wurde und so kam ich mit zwei anderen Männern ins Gespräch. Die Verständigung war nicht ganz einfach, aber ich konnte herausfinden, das Züge nach Erlian (chinesischer Grenzort) nur Donnerstag und Sonntag fahren. Peking wird gar nicht mehr angesteuert. Obwohl wir bereits eine Übernachtung für heute gebucht haben, hab ich also gleich den Zug für heute gebucht. Einer der Männer hat übrigens trotz seines Alters von 67 Jahren ein Reisebüro im Raum neben dem Ticketschalter. Dort könnt ihr gerne Ausflüge in der Mongolei buchen. Zurzeit laufen die Geschäfte wohl schlecht. Es kommen fast nur Touris aus China. Die Europäer bleiben nach Corona nun wegen dem Ukrainekrieg weg und sind nicht mehr so zahlreich auf der Transsib unterwegs.
Nachdem die Aufgabe des Tages erledigt war, bin ich zum größten Lamatempel der Welt gegangen. Diese Glaubensrichtung des Buddhismus ist vor allem in Tibet und eben in der Mongolei verbreitet. Der Tempel hatte etwas Spirituelles und alte und neue Bauwerke wechselten sich auf dem Gelände ab. Immer wieder gab es auch Gebetsmühlen, an denen auch ich drehte. Highlights waren zwei Gebäude. In dem Einen recht alten stand ein 15m hoher Buddha umgeben von hunderten Buddhas und etlichen Gebetsmühlen. Im Haupthaus herrschte hingegen reges Treiben. Hier gingen die Gläubigen einen festen Weg, an dem u.a. eine Figur des Dalai Lama aufgestellt ist. Außerdem kann bei Mönchen gegen Geld deren Dienste in Anspruch genommen werden. Ebenfalls gegen Geld wurden denke ich eine Art Predigt abgehalten, die, so vermute ich, auch Live übertragen wurde. Damit das Geld den Gläubigen nicht ausgeht, gab es praktischerweise im Gebäude gleich drei Geldautomaten. Das wäre doch auch mal was für die Kirchen in unseren Breitengraden. Im Anschluss habe ich noch einen weiteren, deutlich kleineren Tempel besucht, der aber teils schon verfallen war.
Durch Zufall stolperte ich dann noch in ein Museum hinein, wo alte Kunstwerke mit buddhistischem Bezug ausgestellt waren. Sehr schöne Stickereien und Gemälde waren hier etwa zu sehen. Zufällig hatten wir auch noch genau neben unserem Hotel ein veganes Restaurant gefunden: Agnista. Dort wurde wirklich sehr gutes Essen serviert. Ihr findet es genau hinter dem Hotel Nine. Auf dem Weg dorthin ist auch noch eine kleine private Lernstube für die deutsche Sprache. Da bin ich spontan einfach reinspaziert. 5 Jugendliche haben dort gebüffelt. Dafür, dass sie erst ein paar Monate lernen, waren sie ganz gut. Vielleicht hat der Besuch eines Muttersprachlers auch dazu geführt, dass sie noch etwas motivierter sind. U.a. habe ich auf der Karte unsere Reiseroute aufgezeigt und versucht nicht erzgebirgisch zu reden.
Im Anschluss hieß es schnell auschecken. Der nette Mann am Empfang ist noch mit uns auf die Straße gegangen und hat ein Taxi angehalten, da wären wir aber fast zu Fuß schneller gewesen. Wenn man diesen Wahnsinnsverkehr sieht in Ulan-Bator kann man kaum glauben, dass die Mongolei das am dünsten besiedelte Land der Welt ist. Die Hälfte der Bevölkerung lebt allerdings in der Hauptstadt, auch das gibt es sonst kaum. Was man allerdings glauben kann, ist, dass Ulan-Bator die kälteste Hauptstadt wer Welt ist.
Im Zug haben wir uns gleich mit Nassar aus Erlian angefreundet. Wir haben ein bisschen miteinander kommuniziert und ich hab mein bescheidenes chinesisch verwendet, also die paar Vokabeln. Spontan hat Nassar uns bei der Planung der weiteren Reise geholfen. Nun schläft hier schon alles außer ich. Unser Zug ruckelt und rattert durch die Dunkelheit und ab und an ertönt das Signalhorn. Gelegentlich halten wir auch um auf der eingleisigen Strecke einen Güterzug passieren zu lassen. Dann werden vom Personal starke Taschenlampen geschwenkt und in die Dunkelheit geleuchtet. Vielleicht sollen damit Tiere vertrieben werden? Etwas schade ist, dass die Fahrt wieder über Nacht geht und wir nicht viel sehen. Sofern ich das beurteilen kann, ist die Strecke aber nicht ganz so attraktiv wie gestern. Die weiß gefärbte Steppe sieht recht flach aus. Die Strecke ist mit einem Zaun abgesperrt. Es scheint aber nicht so viele Tiere zu geben und auf der parallel verlaufenden Straße nach China ist etwas mehr Verkehr.
Heute Nacht konnte ich von meiner Liege aus beobachten, wie bei einem Halt zwei Frauen Einkaufswagen mit Getränken und Nudelsuppen über den Bahnsteig schoben und zum Verkauf anboten. Viel Interesse gab es allerdings nicht. Gegen Morgen konnte aus dem selben Fenster nochmal die mongolische Steppe in ihrer unendlichen Weite und mit einigen Jurten und Tieren beobachtet werden.
Dann ging es zur Grenze. Die mongolischen Grenzbeamten nahmen Formation auf, ehe jeder in einen Wagon ausschwärmte. Wir wurden etwas genauer beäugt und nach 1,5 Stunden war der Zug ausreichend kontrolliert. Die Beamten salutierten im Spalier dem abfahrenden Zug und einige Meter weiter waren wir in China. Hier wurden die Grenzbeamten auch recht schnell auf die hellhäutigen Passagiere aufmerksam und wir wurden in Begleitung in die Halle gebracht, in der die Grenzkontrollen stattfanden. Besonders skurril war, dass zwei mal eine Kamera mit besonders langem Objektiv aus unmittelbarer Nähe auf die Aussteigenden gerichtet wurde und wie es uns schien auch etwas mehr auf uns. Susann kam dann ohne Probleme durch die Kontrollen durch und bei mir waren die Beamten zuerst nicht zufrieden. Man verschwand mit meinem Reisepass, kam wieder, befragte mich wo ich hin will und wie lange ich bleibe und verschwand wieder. Dann die Frage, warum wir ein Visa haben, wo doch Deutsche visafrei einreisen können. Ich verwies darauf, dass die Visafreiheit nur bis zu 15 Tage gilt. Damit gab man sich dann zufrieden und wünschte mir eine gute Reise. Nassar hatte so lange auf uns vor dem Bahnhof mit seiner Frau gewartet. Sie haben uns noch zum Busbahnhof gebracht und gleich die Busfahrt vermittelt. Das half uns sehr, auch weil sich gleich zahlreiche Anwerber auf uns stürzten und eine Fahrt in jegliche Richtung vermitteln wollten. Vielen lieben Dank Nassar.
An den Bus wurden nun aus Pickups und Taxis heraus Kisten mit Waren geliefert und verstaut. Eine komplette und eingefrorene Ziege (oder sowas ähnliches) war auch dabei. Das Gepäck der Zugestiegenen wurde einstweilen auf den Sitzen gelagert, da unten kein Platz mehr war. Aus welchem Grund auch immer mussten die männlichen Reisenden kurz vor der Abfahrt aussteigen und sind dann vor dem Busbahnhof alle wieder eingestiegen. Unser chinesisch reichte nicht aus um nachfragen zu können.
Während der Fahrt steckte sich dann der Eine oder Andere eine Kippe an. Verrückt! Vor ein paar Jahrzehnten war das in Deutschland wohl auch noch so. Während der Fahrt wurde an für uns nicht erkenntlichen Haltepunkten Ware von Autos übergeben oder entgegengenommen. Der glückliche neue Besitzer der Ziege tauchte allerdings nicht auf und die Busbegleiterin wurde hektisch. Bei einer Pinkelpause packte der Busfahrer das Tier kurzentschlossen aus dem Lagerraum des Busses lieblos auf den Platz vor einer Tankstelle. Dort brachten die Angestellten das Tier dann in einen Raum, wo es vermutlich abgeholt werden soll. Der Busfahrer drückte weiter aufs Tempo und nutzte sicher 100 mal heute die linke Fahrspur, wann immer es der Gegenverkehr zuließ. Manchmal war die eigene Fahrspur aber auch mit Verwehungen aus Sand und Schnee versperrt. Die Wüste Gobi hat hier noch ihre Ausläufer und auch Jurten und Vieh sieht man noch regelmäßig.
In Jining/Ulanqab haben wir ein Hotel bezogen, sind ein bisschen in der Stadt rumgelaufen und waren thailändisch Essen. Die Bedienung ist im Hawaiihemd und mit Strohhut rumgelaufen und hat sich sichtlich gefreut. Mehrere Fotos und Videos wurden von uns gemacht. Außerdem haben wir noch eine chinesische Eigenheit mitbekommen: Getränke dürfen ins Restaurant mitgebracht werden und ein Kind hatte sogar Burger mit.
Ich freue mich sehr die letzte Grenze passiert zu haben und jetzt in China zu sein. Morgen geht es auf nach Peking. Es sind nur noch ca. 400km.