Nowosibirsk - Zima

In die Gegend von Nowosibirsk und Jekaterinburg wurden im 2. Weltkrieg übrigens 700 Fabriken aus dem Westen der Sowjetunion ausgelagert um zuverlässig Nachschub für die Front zu produzieren.

In der Stadt Mariinsk steige ich bei einem 20minütigen Aufenthalt noch einmal aus. Es ist 1 Uhr Nachts und mit mir stehen fast nur die Zugbegleiter draußen. Die Luft riecht nach dem, was aus den Schornsteinen kommt, eine Fußgängerampel tutet die ganze Zeit und es ist klirrend kalt. Nach wenigen Minuten gehe ich wieder in den Zug, lese noch ein paar Seiten und dann lege ich mich auch hin.

Nachts 4 Uhr haben wir nochmal Zuwachs im Abteil, ehe 6:30 Uhr die Schaffnerin kommt und den guten Mann schon wieder aufweckt. Im Zug wird es lebendig. Wir fahren 7 Uhr nach Krasnojarsk ein. Die Lichter der Stadt zerreißen die Dunkelheit und auf den Straßen reiht sich bereits ein Auto ans andere. Auch in unserem Zug dürften viele sitzen, die zum Montag morgen ihre Arbeit beginnen und bei -16°C in die Dunkelheit entfliehen. 7:25 Uhr der Zug kommt am Bahnhof an und alle verlassen den Wagon außer Susann, ich und ein einsamer Schnarcher nebenan. Für die beiden vom Begleitpersonal ist nun Hochkonjunktur. Sie bringen den gesamten Zug auf Vordermann. Eingestiegen sind auch nur zwei Personen und den Tag über auch nur noch ein paar, die glaube ich nun alle wieder raus sind. Etliche Langlaufski sind aktuell in den andern Wagons, denn Krasnojarsk ist ein Wintersportort. In der sibirischen Metropole wurde außerdem die Hälfte der Wagons abgehängt, da ohnehin die meisten Passagiere ausgestiegen sind.

Der Jenisej ist einer der wenigen nicht zugefrohrenen Flüsse und dampft herrlich

Vormittags hab ich mich schon ins Bordbistro gechillt und einen Frühshoppen in Anspruch genommen, dazu gab es Musik aus dem Discman und am Fenster ist eine herrlich hügelige Landschaft vorbeigezogen. Etliche Datschen gab es ebenfalls. Das sind kleine Wochenendhäuser der Russen. Diese sind dem orthodoxen Glauben entsprechend gerne hellblau (Himmel) oder hellgrün (Landschaft) gestaltet.

Die Dörfer waren heute teils stark vernebelt, was an der Braunkohleverfeuerung lag. Auch kamen uns viele Containerzüge entgegen, die u.a. Kohle transportierten. Neben den Gleisen verläuft im übrigen immer ein geschobener Waldweg, über den Arbeiter an die Zugstrecke herankommen.

Mit Smog überzogene Dörfer

Ansonsten gammelten wir heute etwas vor uns hin, da wurde gelesen, Musik gehört, aus dem Fenster geschaut oder gespielt. Letzteres mit dem besseren Ende für Susann.

Allgemein herrscht unter dem Personal Aufbruchsstimmung, keine Ahnung ob denen klar ist, dass es noch 19 Stunden bis Ulan-Ude sind. Vielleicht verlassen uns auch schon alle in Irkutsk und wir fahren alleine weiter. Wir werden es morgen sehen. Auf alle Fälle sind wir wohl neben dem Personal die am weitesten Gereisten im Zug. Weitere Touristen konnten wir jedenfalls nicht ausmachen.

Heute will ich euch auch mal mit der Ausstattung in unserem Wagon vertraut machen. Da ist zunächst der äußerst wichtige Samowar. Hier kann zu jeder Tages- und Nachtzeit Wasser für Tee, Kaffee und Fertigsuppen gezapft werden. Das Ganze wird sehr rege genutzt. Nebenan werden auch Snacks verkauft, was allerdings kaum jemanden interessiert. Wir haben auch einige Tees getrunken. Beutel und Kandiszucker sind noch aus dem Freiberger Weltladen.

Der Samowar ist immer einsatzbereit
Leckeren Tee gibt es fast zu jeder Tageszeit

Neben dem Samowar gibt es die Toilette. Diese riecht nicht unbedingt gut, tut aber ihren Zweck. Leider gibt es kein Wasser zum Zähne putzen und Co. Dafür muss man sich dann eigenes Wasser mitbringen oder geht, ich vermute nicht gewünscht, in den Nachbarwagon. Irgendwo im Zug soll man für 150 Rubel (ca. 1,50€) auch duschen können.

Bordklo

Im Gang quetscht man sich aneinander vorbei, wenn man auf dem Weg ist um heißes Wasser zu holen oder eins der beiden Klos aufsucht. Manchmal kann man auch am Fenster verweilen, um mal auf der anderen Seite des Zuges rauszuschauen und ein bisschen frischere Luft zu genießen im sonst manchmal recht stickigen Abteil.

Gang vor dem Abteilen

In unserer 4er-Kabine ist schließlich der Wohn- und Schlafraum. Hier kann man, unter Rücksichtnahme auf die anderen Mitreisenden, tun und lassen was man will. Steckdosen und USB-Lademöglichkeiten gibt es, die da vermutlich noch nicht all zu lange hängen. Ob dies von Vor- oder Nachteil ist, bin ich mir nicht ganz sicher. Zum Einen wird damit natürlich auch möglich, dass dieser Blog regelmäßig aktualisiert wird. Zum Anderen stört es zumindest mich auch bei der Entschleunigung. Die Reise in ihrer Dimension ist etwas weniger fassbar und wird weniger intensiv eingesaugt.

Unser Abteil