Zurück in Zhaotong und in Freiberg
Bevor es auf den Heimweg geht, bin ich nochmal im Heimatort meiner Gastfamilie. Ich schwänzel entspannt durch die Straßen und schaue was es noch interessantes zu entdecken gibt. Da gibt es z.B. eine Straße auf der Haustiere verkauft werden. Überall bellen hier kleine Welpen. In einem anderen Laden werden Nudeln verkauft, die im Hintergrund auf Stahlrohren trocknen. Dann gibt es wieder eine Straße auf der ein Markt ist und Gemüse und Fleisch verkauft wird. Besonders groß ist die Vielfalt auf einem überdachten Markt in einem Hinterhof der Innenstadt. Unglaublich was es hier alles an Gemüsesorten gibt. Dazu alle mögliche Teile von Tieren. Für mich am außergewöhnlichsten ein Schafskopf. Im Vergleich zu Susann bin ich hartgesotten und schaue mir gerne solche Märkte an, aber der Schafskopf ist auch für mich krass. Bei den Fischständen finde ich die Behälter mit lebenden Fröschen am erstaunlichsten. An anderen Ständen werden wiederum verschiedenste Eier, Tofusorten und Chilipasten angeboten. Einfach klasse solche Märkte.
Klasse finde ich auch den Park im Zentrum. Hier war ich vor zwei Wochen schon begeistert, aber jetzt nach dem Frühlingsfest ist er wirklich proppenvoll mit Rentnern, die hier singen, tanzen, palavern, sich sonnen und Karten spielen. Ich setz mich daneben und pack auch mal meine Skatkarten aus, finde aber keine Mitspieler.
Ich habe das Glück auch noch das Reisballfest miterleben zu dürfen, welches das Ende des Frühlingsfestes markiert. Am nächsten Tag durften die Kinder dann wieder in die Schule gehen. Schule ist hier ein besonderes Kapitel. Mir sagt das nicht zu, aber in China scheint man ganz glücklich damit zu sein. Die Schule startet früh morgens und geht bis in den späten Abend hinein. Mittags und zum Abendbrot gibt es wohl zweistündige Pausen. Für die Jüngeren ist die Unterrichtsdauer nicht ganz so lang. Samstags ist in China übrigens auch noch Schule. Dazu kommt, dass an einigen Schulen eine Internatspflicht besteht. Andere Eltern kaufen extra teuere Wohnungen in guten Wohngegenden, damit ihr Kind in eine bessere Schule gehen kann. Der Leistungsdruck ist in anderen Ländern in Ostasien wohl ähnlich. In Südkorea versucht die Regierung gegenzusteuern, bislang aber ohne Erfolg.
Ich schweife ab, zurück zum Reisballfest. Es gab wenig überraschend Reisbälle zu essen.
Das Highlight war allerdings der Drachentanz. Wenn man an China denkt, ist das sicher einer der Bilder, die man im Kopf hat. Der Drachen symbolisiert dabei Glück. Zur heutigen Show sind zwei Drachen aufgelaufen, die von jeweils etwa 15 Personen bewegt wurden. Die Drachen folgten dabei jeweils einer Kugel, die gedreht wurde, erst geradlinig und dann wellenförmig. Die wellenförmige Bewegung ahmte einen sich tatsächlich bewegenden Drachen nach und brauchte viel Platz, weswegen das Publikum immer mal wieder „flüchten“ musste. Insgesamt war man schon erstaunlich nah dabei. Nach dem Auftritt zogen die Drachen auf einer Runde durchs Viertel, wo es noch mehrere Auftritte gab. Umrundet und gefolgt wurden sie von Polizei und dem Publikum. Ein wirklich beeindruckendes Spektakel.
In den letzten 7 Wochen habe ich neben herrlichen Zugstrecken im ländlichen Raum vor allem Großstädte besucht. Es waren allein 6 Städte dabei die mehr als 4 Millionen Menschen zählten und jeweils eine U-Bahn hatten. Ich gebe zu, dass ich gern mal in einer Großstadt bin, aber das war dann doch ein bisschen zu viel des Guten und ich habe so deutlich wie noch nie gemerkt, dass ich nicht unbedingt in einem solchen Moloch leben muss. Um noch mal einen kleinen Ausgleich zu schaffen, hat es mich aufs Dorf gezogen. Also bin ich in Zhaotong vor die Haustür gegangen, in die Linie 10 eingestiegen und los ging es mit dem klapprigen Bus. Die Busse kosten in China übrigens immer das Gleiche, egal wie lang man mitfährt. In Zhaotong schmeißt man immer 2 Yuan (25 Cent) in den Kasten (die Fans der Digitalisierung zahlen auch diesen Betrag mit dem Handy). In meinem Fall bin ich dafür 40min bis zur Endhaltestelle gefahren. Es war dabei richtig kalt im Bus, während draußen immer wieder Geäst in Schüsseln verbrannt wurde um sich dann vermutlich aufzuwärmen oder zu kochen. An einer Stelle loderte eine 1,5m hohe Flamme direkt neben dem fließenden Verkehr. Die Endhaltestelle ist kurz vor dem Yudong-Stausee, an dem ich entlang wanderte. Erstmal ging es bei Temperaturen um den Gefrierpunkt bergauf, so dass ich nach der kalten Busfahrt wieder auftaue. Der Blick auf den Stausee war dann schon mal schön und auf dem Weg durch den Wald kamen mir auch nur 6 Leute entgegen, ansonsten gab es nur Vogelgezwitscher.
Nach etwa einer Stunde tauchten dann wieder die ersten Häuser auf. Kühe und vor allem Hühner liefen über den Weg. Es scheinen auch fast Alle in der Landwirtschaft zu arbeiten. Im steilen Berg wurden Terrassen angelegt und bewirtschaftet. Ochsen ziehen hier noch mit dem Pflug über die Äcker und es gibt auch noch viel Handarbeit. Überhaupt habe ich während meiner Chinareise keine großen Agrarmonokulturen gesehen, wie wir sie etwa in Ostdeutschland finden. Ich bin hin- und hergerissen von einem romantischen Idyll der kleinbäuerlichen Landwirtschaft auf der einen Seite und der sicher harten Arbeit auf der anderen Seite. Es zieht ja dann doch viele Menschen aus diesen Bergdörfern weg in die nächste Stadt, wie mir auch eine spontane Bekanntschaft in Leshan erzählte. Er ergänzte: Die Leute die in den Städten groß werden, ziehen wiederum in die noch größeren Städte. Bei mir zog aber erst mal der Himmel auf und auf über 2000m Höhe ballerte die Sonne wieder ordentlich, so dass meine Nase am Ende des Tages rot leuchtete, als hätte ich den Tag in einer Taverne verbracht. Tatsächlich ging es für mich aber weiter am Weg entlang, bis die Häuser etwas dichter wurden und ich auf eine größere Straße einbog. Dort verkaufte mir ein alter Mann mit einer überschaubaren Anzahl an Zähnen eine Limo und nachdem ich in meinem Bilderbuch auf ein Bier gezeigt hatte, bekam ich auch noch selbiges. Meiner Meinung nach kenne ich das chinesische Wort für Bier zwar, aber immer wieder wird meine Aussprache leider nicht verstanden. Das erhöht nicht gerade meine Motivation noch mehr von der Sprache zu lernen. Als Rückweg habe ich einen noch kleineren Weg gewählt, der sich weiter in die Höhe schraubte, um dann auch wieder krass abzufallen. Kurz bevor ich nach ca. 25km in das Dorf einbog, in dem ich am Morgen losgezogen war, stand da ein Moped, in der Wiese lag der Fahrer und auf der Mauer brüllte ein Megafon irgendwelche Belehrungen in die menschenleere Gegend. Das mit dem Megafon hab ich öfters gesehen, etwa in der U-Bahn. Hier wirkte es aber schon skurril. Im Dorf selbst habe ich mir ne kalte Nudelsuppe gegönnt und mal besichtigt, was hier als Touristenatraktionen ausgeschildert war. Eine Art kleiner Freizeitpark war leider sehr schlecht besucht.
Ähnlich mies besucht war auch der Yi-Minderheitenpark, der auf halber Strecke nach Zhaotong lag und an dem ich spontan ausgestiegen bin. Ob hier generell wenig los ist oder es einfach nach dem Frühlingsfest unter der Woche war, kann ich nicht sagen. Neben Zoo, Essen und Karussell konnte man in dem Park auch einige Infos zur Yi-Minderheit lesen. Highlight waren jedoch Ausstellungsstücke der Yi, darunter Masken, Wagen, gestickte Bilder und Kleidung. Für 5 Yuan (80 Cent) wurde mir als einzigem Museumsbesucher das Licht angeschaltet und der sehr engagierte Museumsleiter versuchte mir chinesische Schriftzeichen beizubringen. Nachdem ich ihm von meiner Talentfreiheit überzeugen konnte, hat er mir lieber ein Liedchen vorgetragen. Seine runde Gitarre spielte er dabei auch auf dem Kopf und hinter dem Rücken. Starke Nummer. Als dann noch eine Tourigruppe eintraf, ging es noch mit Kreistänzen weiter und es war Stimmung in der Bude. Sehr engagierter Mann. Der mir sicher noch viel über die Yi hätte erzählen können und von der Arbeit selbst sagte, dass er nur 2 Tage im Monat frei hat!
Die Tage in Zhaotong endeten mit einem Abschiedsessen im Restaurnt. Erneut waren mir die Hälfte der Speisen unbekannt. Schon erstaunliche diese Vielfalt. Ich möchte mich an der Stelle nochmals herzlich für die große Gastfreundschaft bedanken. Das war wirklich überwältigend!
Den 1. Teil der Rückfahrt habe ich dann mit dem Bus nach Chengdu bestritten. Zu Beginn der Fahrt fehlten noch 8 Personen. Einige sind wohl gezielt später eingestiegen, mit anderen hat der Busfahrer sich schön rumgestritten und auch satte 20min auf sie gewartet. Der Bus selbst war ein bissel abgeranzt und rostete auch von innen. Die 7 Stunden bis zur Provinzhauptstadt Sichuans hat er aber noch durchgehalten. Die Landschaft mit ihren steil ansteigenden Bergen und unterschiedlichen Bergen war nochmals sehr spektakulär. Das Landleben ließ sich vom Bus aus ebenfalls gut beobachten. Ich dachte mir, dass es krass sein muss, wenn du dein Leben lang in der Abgeschiedenheit wohnst und dann hast du irgendwann eine Autobahn vor der Tür. Wenn dort Stau ist, würde ich vielleicht Kaltgetränke verkaufen.
In Chengdu ging es dann per Flieger nach Frankfurt. Wie bereits erwähnt, besteige ich das Flugzeug aus Klimagründen nur sehr ungern. Dieses Mal habe ich aber keine andere Wahl gesehen und so habe ich wenigstens einen Direktflug gewählt, auch wenn es bissel umständlicher war. Interessant wurde es dann nochmals in Frankfurt. Hier waren drei völlig unmotivierte und arrogante Polizisten im Einsatz. Einer bearbeitete die Einreise der EU-Bürgerinnen und -bürger, einer war für Familien mit Kind zuständig und einer für den ganzen Rest. In der Schlange mit vielleicht 300 Personen ging so gut wie nichts voran. Ich schätze, dass die Wartezeit hier 3 Stunden betrug. Entweder war das hier ne ganz peinliche Nummer oder der Versuch den Leuten die Lust am Fliegen zu nehmen für mehr Klimaschutz.
Die letzte Etappe hab ich dann nochmal mit der Bahn abgerissen. Im ICE war leider Fassbier und Pommes ausverkauft. Die MRB hat mich aber nicht im Stich gelassen. Die setzt ja zwischen Leipzig und Chemnitz noch herrlich alte Züge ein. Traumhafte Abteilwagen, mit weichen Sitzen und Fenster die sich öffnen lassen. Aus meiner Sicht der schönste Zug in ganz Sachsen und damit ein würdiger Abschluss für eine Zugreise. 30 Stunden hat es von Zhaotong nach Freiberg gebraucht. Zum Vergleich: Die Zugreise von Freiberg nach Peking lief in 13 Tagen und 15 Stunden über die Bühne.
Nun denn. Was bleibt nach 7 Wochen Reise zu sagen? Es war natürlich eine fantastische Reise mit jede Menge tollen Erfahrungen, Begegnungen, kulinarischen Erfahrungen, interessanten Details und ca. 15.000km auf den Zugstrecken Eurasiens. Ich vermute, dass es mich nach der Radreise nach Vietnam und der Zugreise nach China irgendwann wieder auf dem Landweg nach Asien ziehen wird. Wann und wohin das sein wird, wird die Zukunft zeigen. Für jetzt möchte ich mich aber erst mal für euere Aufmerksamkeit bedanken. Schön, dass ihr dabei ward!
Auf dieser Homepage plane ich künftig noch Vortragstermine zu veröffentlichen, zum einen von der Transsib-Reise und zum anderen von der Fahrradreise nach Vietnam. Solltet ihr Interesse haben, dass ich mit einem meiner Vorträge mal bei euch im Verein, Seniorenkreis, Jugendtreff oder sonstwo vorbeikomme, dann meldet euch gerne. Ich hab immer Spaß daran das erlebte Revue passieren zu lassen und Anderen näher zu bringen. Am Geld soll es nicht scheitern.
Einen erster Vortrag unter dem Thema „Freiberg – Transsibirische Eisenbahn – Peking“ findet am 30. April um 20 Uhr in der Stadtwirtschaft statt. Vielleicht bis dahin!
Wenn ihr noch einen spannenden Blog lesen wollt, dann hät ich einen von einem Kumpel. Er ist aktuell für ein paar Wochen in Osteuropa unterwegs und schildert auf seiner Website unter anderem Eindrücke die er in der Ukraine in der letzten Woche gewonnen hat: https://martisor.svbtle.com/