Ulan-Ude nach Ulan-Bator
Heute war der mit Abstand kälteste Tag unserer Reise. Schon morgens 7 Uhr war es in Ulan-Ude saukalt, aber die 15min zum Busbahnhof waren noch erträglich. Vor Ort wartete ein mongolischer Bus auf uns und mit langsam einsetzender Dämmerung setzten wir uns in Bewegung. Schnell wurde es nach dem Großstadtverkehr etwas ruhiger auf der Straße. Nicht viel los. In den Tälern konnte ich riesige Rauchschwaden und Smogglocken beobachten. Der Rauch von einzelnen Schornsteinen zog sich richtig weit in den Tälern entlang. Dies passiert wenn die Luft nahe der Erdoberfläche kälter ist, als in der Höhe und der Smog so nicht entweichen kann. Hab mich extra belesen. ;-)
Kalt genug war es jedenfalls. Im Bus wurde vor die Fenster noch einmal eine Schicht mit durchsichtigen Plastiktischdecken gezogen, so dass eine Hohlkammer entstand und die Wärme besser gehalten wurde. Leider hat das auch die Sicht ziemlich getrübt und die war heute eigentlich spektakulär. Auf russischer Seite kamen wir an einigen Dörfern vorbei und auch Kiefernwälder säumten den Weg. Dann kam vor der Grenze eine erste Kontrolle und was war verschwunden?! Mein Imigrationsschein, den ich beim Austritt aus Russland wieder abgeben muss. Schöne Scheiße! Der Kollege hat uns aber noch durchgewunken. An der richtigen Grenze gab es dann eine erste Kontrolle und alles suchen half nichts, der Schein tauchte nicht wieder auf. Die Kontrolleurin war weniger erfreut, winkte uns aber immer noch durch. Dann hatte Susann noch eine letzte Idee, dass der Schein vielleicht bei den Bustickets war, da wir dort zuletzt unsere Pässe vorgezeigt hatten, als wir die Tickets gekauft haben und dort war der verflixte Schein dann auch. Also ab aus dem Bus zur Hauptkontrolle. Dort eine erste Frage: Haben sie Dollar dabei? Der verweis darauf, dass wir kein russisch sprechen, reichte um weiterzukommen. Am Schalter dann die Frage nach dem E-Visum und der Geistesblitz: Wir haben gar nicht nachgeschaut, ob die Grenze mit dem E-Visum passierbar ist, da wir mit dem Zug geplant hatten und ja nicht alle Grenzen mit dem E-Visum machbar sind (https://freiberg-transsib-peking.de/visa/). Aber auch das ist noch mal gut gegangen. Dann kam noch ein höherer Beamter zu uns, der sogar Englisch konnte. Aus meiner Sicht hat er sich gefreut diese Kenntnisse mal anwenden zu können. Wir waren jetzt allerdings die letzten im Bus und weiter ging es zur mongolischen Kontrolle, wo auch alles gut klappte. Kurz ist die Beamtin mal mit dem Pass verschwunden, da ein deutscher Pass wohl doch nicht alle Tage vorkommt, aber dann konnte ich gehen. Dieses mal war unser Platznachbar der Letzte. Dem Busbegleiter viel das nicht auf und so fuhren wir zum letzten Kontrollposten los. Ich versuchte halbherzig darauf hinzuweisen, dass jemand fehlt, konnte mit meinen Sprachkenntnissen aber nichts ausrichten. An der Passkontrolle konnte Serge aber noch aufholen und einsteigen. 1,5 Stunden haben wir insgesamt an der Grenze verbracht. Direkt nach der Grenze stiegen 5 Geldwechsler und Geldwechslerinnen in den Bus ein, die sich aggressiv um Kundschaft bemühten. Anschließend ging es zur Mittagspause in ein Restaurant und wir lernten Serge näher kennen. Er ist ein aus Kaliningrad stammender Russe, der seit einem Jahr aber als DJ hauptsächlich in Ulan-Bator Techno auflegt. Gern würde er auch nach Europa oder wenigstens Shangahi kommen.
Unsere Tour führte uns nun durch die Mongolei mit Straßen von mäßiger Qualität. Dafür gab es wahnsinnig viel Neues zu sehen. Jurten, hübsche Häuschen, Pagoden und jede Menge Tiere, die in der Steppe weiden, da die Schneedecke im kontinentalen Klima trotz Kälte nicht besonders dick ist. Zu sehen gab es immer wieder Pferde, Schafe und Kühe. Ab und an war auch ein Hirte auf seinem Pferd dabei und noch öfter passierten die freilebenden Tiere die Straße, was aber niemanden störte. Außerdem gab es trotz der Kälte eine Menge Rabenvögel, Elstern und wenn ich das richtig gesehen habe, auch Geier. Krasse Eindrücke waren das schon wieder.
Die Busfahrt zog sich bis in die Dunkelheit, dann gab es noch einen Stau und am Ende wurden wir anders als erwartet außerhalb der Stadt am russischen Busbahnhof rausgeschmissen und nicht in der Innenstadt. Serge hat uns gleich angeboten, dass sein Kumpel, der in abholt, uns auch mitnehmen könnte. Da konnten wir natürlich nicht ablehnen. Es gab auch Taxifahrer, die uns sehr agressiv als Kunden warben. Leider hat uns Serges Kumpel aber nicht gleich gefunden und so haben wir knapp eine Stunde in der Kälte gewartet, ehe er inklusive Frau und Baby kam. Ich war mit Rucksäcken völlig eingebaut und musste sogar Susann bitten mir die Mütze abzunehmen. Das unglaubliche Verkehrschaos verschaffte uns noch die Möglichkeit ein bisschen weiter mit Serge zu quatschen und 22 Uhr waren wir in der Innenstadt. Vielen Dank für die Mitnahme! Solche Begegnungen machen das Reisen aus.
Bei -30°C haben wir aber jetzt so richtig gefroren, hatten kein mongolisches Geld und auch noch keinen Plan, wo wir hin sollten. Also erstmal Geld abheben, das funktionierte auch nicht beim ersten Automaten. Der zweite Automat, an dem wir es versuchten, spuckte dann Geld aus. Dann sind wir erstmal in ein Restaurant, um uns aufzuwärmen und die Lage zu sondieren. Leider war aber schon Küchenschluss. Wir buchten dann ein Hotel in der Nähe. Für 56€ bekommen wir da morgen sogar noch Frühstück. Die Laune war also gerettet, die mit den Temperaturen zu sinken drohte.
Noch ein paar abschließende Worte zu Russland, die ich mir vorher zum Teil nicht getraut habe. Vermutlich war ich da auch etwas übervorsichtig. Für uns erstaunlich war, dass mit uns keiner offen über den Ukrainekrieg gesprochen hat, nur einmal wurde dieser überhaupt am Rande erwähnt. Auch hat uns keiner das Gefühl vermittelt, dass wir als EU-BürgerInnen gerade etwas außergewöhnliches in Russland wären, obschon aktuell eigentlich nur noch wenig Leute nach Russland reisen. Direkt hinter der estnischen Grenze wurden wir von einem Panzer begrüßt, der steht aber denke ich schon länger da.
In St. Petersburg sind uns einige Plakate begegnet, die mit sehr gutem Sold für einen Armeeeintritt geworben haben. Im Zug hätten wir zudem ein Souvenir für die „Spezialoperation in der Ukraine“ erwerben können, welches uns zu Beginn angeboten wurde. Insgesamt kamen uns auf der Transsib drei Güterzüge entgegen auf denen teilweise Militärgerät transportiert wurde. Einmal wurden auch gerade etliche Panzer verladen. Bis auf diese Begebenheiten konnten wir den Krieg als Thema in Russland als nicht präsent wahrnehmen, so als wäre alles ganz normal. Soweit meine Eindrücke. Es wäre gelogen, würden wir behaupten, dass wir nicht zumindest leichte Bedenken hatten, als wir die Grenze der EU hinter uns gelassen haben. In Russland haben wir uns persönlich absolut sicher gefühlt und hatten keinerlei Probleme. Mit Maria, Serge und Igor hatten wir zwischenmenschlich sehr schöne Begegnungen. Ich hoffe, dass der Krieg bald ein Ende hat und die Menschen wieder das tun können, was sie wollen, dorthin gehen können, wo sie wollen und vor allem, dass das Sterben ein Ende hat. Ich wünsche es den Menschen in diesem und anderen Kriegen.