Leshan

Auf meiner Reise war Chongqing übrigens die erste Stadt seit Görlitz, durch die ich in meinem Leben schon einmal durchgefahren bin. Zeitig verließen wir unser Hotel am Jangtse um den Zug nach Leshan zu nehmen. Dabei legte das gewählte Transportmittel aber keineswegs die Strecke direkt zurück, sondern fuhr einen manierlichen Umweg über Guiyang. Statt 2 Stunden hatten wir nun 5 Stunden Zugfahrt auf der Habenseite. Der Zug fuhr übrigens eine Runde und endete wieder in Chongqing, wo er gestartet war. Besonderes Highlight war zudem, dass der Zug in Guiyang die Fahrtrichtung wechselte, dies wurde genutzt um sämtliche Sitze im Zug zu drehen, so dass diese wieder in Fahrtrichtung positioniert waren. Ich war von dem Ganzen so überrascht, dass die Sachen, die ich in der Tasche des Vordersitzes verstaut hatte auf einmal weg waren. Zwei Reihen weiter konnte ich sie dann aber wieder ausfindig machen. Im Zug hatte ich auch einen netten Sitznachbarn, mit dem ich mich prima auf Englisch unterhalten konnte. Der junge Mann war auf Urlaub mit seiner Mutter und ihm ist beim Anblick meiner Asienkarte sofort aufgefallen, dass Taiwan eine andere Farbe als China hatte, was er nicht gut fand. Der Zug trudelte dann in Leshan ein und nach dem anfänglichen Versuch per Linienbus zum Hotel zu kommen, haben wir doch ein Taxi geordert.

Sitz werden im Zug umgeklappt
Nette Bekanntschaft aus Bijie

Am Nachmittag haben wir uns noch zum größten aus Stein gehauenen Buddha der Welt aufgemacht. Er wurde vor ca. 1200 Jahren gemeißelt. Die Arbeiter haben dafür 90 Jahre gebraucht. Dem riesigen Buddha und anderen Werken in der Umgebung war anzusehen, dass der Zahn der Zeit bereits an ihnen nagt. Neben zahlreichen Vögeln (u.a. Eisvogel) gab es natürlich auch wieder viele Menschen, die rund um den Buddha unterwegs waren. Für meinen Geschmack etwas zu viel, wodurch zumindest für mich, die anschließenden Tempelanlagen nicht den gleichen Charme entfalten konnten wie anderswo.

Andrang vor dem großen Buddha
Eisvogel auf der Lauer

Abends sind wir dann noch mal durch die Stadt gezogen und haben etliche Tanzgruppen beobachtet. Das sind Zusammenkünfte von mehrheitlich Frauen, die meist am Abend den Tag mit Tanzübungen ausklingen lassen, um sich körperlich zu ertüchtigen. Neben einem Lokal mit für die Region üblichen Spießen, auf denen z.B. Fleisch, Tofu, Gemüse oder Pilze sind, haben wir auch noch ein Bierlokal aufgesucht. Die Preise sind zwar teurer als in Deutschland, aber dafür gab es auch mal wieder besseres Bier. Das chinesische Bier lässt schon sehr zu wünschen übrig. Üblich scheint hier zu sein, dass man gleich soviel Bier bestellt, wie man am Abend trinken möchte. Andere Länder, andere Sitten.

Die Hotelbesitzerin hat eine Karte von der Umgebung gestickt, so finden wir auch den Bus zum Emei Shan in Lila

Am nächsten Tag stand der Emei Shan auf dem Programm. Das ist mit 3099m der höchste der vier heiligen Berge Chinas. Am liebsten hätte ich den Berg vom Fuß an zu Fuß bewältigt und dabei die Klöster auf dem Weg und die wilden Affen besucht. Da dies wohl 2 Tage dauert, haben wir das gelassen. Stattdessen ging es 1,5 Stunden mit einem der Zahllosen Busse hinauf. Am Anfang war der Bergwald dschungelartig und wunderschön. Je weiter sich der Bus den Berg hinauf kämpfte, desto winterfester wurde die Vegetation und schließlich übernahm ein weißer Teppich aus Schnee das Szenario. Seit Russland hatten wir nicht mehr so viel Schnee gesehen.

Am Ende der Busstation ging es 1,5km über Stufen zur Seilbahnstation, um den Gipfel zu erreichen. Eine wahre Völkerwanderung setzte hier ein. Zwischendurch kämpften sich immer wieder Träger, welche auf einer Sänfte Personen trugen, die nicht laufen wollten oder konnten. Unterwegs standen regelmäßig neue Träger bereit, um sich gegenseitig abzuwechseln, was besonders bei schwereren Personen sichtlich nötig war.

Ansturm auf den Emei Shan, einige werden getragen

Während Susann dann die Seilbahn nahm, wollte ich die letzten 5km noch zu Fuß gehen, um noch etwas mehr Gespür für diesen Heiligen Berg zu bekommen. Auf der Strecke war immer noch einiges los, aber es dünnte doch merklich aus. Im konstanten Schritt zog ich an den anderen Gipfelstürmerinnen und Gipfelstürmern vorbei. Man merkte Ihnen an, dass sie Schnee wohl nicht so oft sehen. Alles mögliche hatten sie sich andrehen lassen, als sie aus den Bussen ausstiegen. Da gab es Zangen die aus dem Schnee Figuren formten, Bambusstangen als Wanderstöcke, Regenbongos, Gummiüberzieher für die Schuhe, dass diese nicht nass werden und als besonderes Highlight konnten sich Spikes unter die Schuhe montiert werden, damit diese nicht wegrutschen. Das sah schon alles recht lustig aus, aber schön, dass die Leute sich überhaupt auf den Weg gemacht haben. Fantastisch war die Schneelandschaft ja durchaus und der Schnee hatte interessante Formen an den Bäumen angenommen.

Auf halber Strecke habe ich noch ein nettes jüngeres Pärchen kennengelernt. Die Beiden konnten besser Englisch als ich, was zugegeben nicht so das Kunststück ist, uns aber in China noch nicht untergekommen ist. Der jungen Frau war das Brillenglas rausgefallen und die Schraube abhanden gekommen. Ich konnte mit einem Gummi Abhilfe schaffen. Wir haben auf den Stufen in Richtung Gipfel einige interessante Themen aufgeworfen. So wollten die Beiden wissen, warum die Europäer Sozialismus ablehnen. Ich entgegnete, dass wir aus Sicht der Amerikaner ja schon als Sozialisten gelten und unser Sozialsystem mehr sozialistisch Züge trägt als das Chinesische. Andersrum fragte ich, ob China genug für den Klimaschutz tut und sie meinten, dass die Reichen mehr tun müssten. Die Antwort verblüffte mich, bei dem starken Zentralstaat. Wir einigten uns darauf, dass alle Staaten und Menschen versuchen sollten mehr Gemeinsamkeiten zu sehen, als immer nur auf das trennende zu fokussieren. Auf dem Emei Shan angekommen, wurde der Nebel noch dichter als ohnehin schon. Mit einem herrlichen Blick bis Tibet wurde es jedenfalls nichts. Noch nicht einmal die große Statue mit den Buddhaköpfen konnte ich komplett sehen. Da war ich doch froh, dass ich wenigstens gelaufen bin und so mein Emei Shan-Erlebnis hatte.

Nette Begleitung vor dem in Nebel gehülten Gipfelhighlight

Die Rückfahrt zur Talstation gestaltete sich wieder langwierig aber schön und dann ging es mit dem Linienbus 601 zurück nach Leshan. Die 90min waren recht kurzweilig, denn ich setzte mich neben einen Chinesen, der doch tatsächlich den Emei Shan an diesem Tag in 8 Stunden von unten bis oben durchgelaufen ist. Da war ich doch etwas neidisch. Der junge Mann (ich erwähne meist keine Namen, da ich nicht danach Frage, weil ich sie eh nicht schreiben oder aussprechen könnte) war aus Leshan und hat die Tour schon öfters gemacht. Wir quatschten ein bisschen über die Arbeit und er meinte, dass er bis Corona in Singapur geschafft hat. Dort konnte er im Restaurant das dreifache von dem verdienen, was es in China gibt. Nun versucht er nach Frankreich zu kommen, um dort im Restaurant als Kellner zu arbeiten. Ein erster Antrag wurde abgelehnt. Er empfindet die gigantischen Infrastrukturprojekte in China als überdimensioniert, was mir ehrlich gesagt auch manchmal so vorkommt, bei dem geringen Verkehr auf den Straßen. Als Beispiele nannte er allerdings den Bau von Wohnhäusern und U-Bahnstrecken, etwa in Chengdu.

Im Hotel angekommen, erwartete uns das kalte Zimmer. Die Heizung tut es nicht wirklich und so haben wir endlich mal von unseren Schlafsäcken Gebrauch machen können, die wir schon die ganze Zeit sinnlos mitschleppen. Da der Abend aber noch jung war, hab ich mich zu dem netten Hotelbesitzer gesellt. Die Rezeption dient hier auch als Wohnzimmer, wo die Frau den ganzen Tag Serien schaut und der Mann auch nachts schläft. Wir haben uns jedenfalls hervorragend mit Händen, Füßen und über sein Smartphone unterhalten. Ihre Tochter wohnt mit Mann und Kind in Singapur, kommt jetzt aber zum Neujahrsfest zu Ihnen. Außerdem hat er noch die Schnapsflasche ausgepackt und entgegen meiner sonstigen Vorsätze keinen Schnaps zu trinken, haben wir drei Gläser geleert. Er meinte, dass Menschen aus verschiedenen Ländern zu ihm kommen und er gerne mal einen Schnaps mit ihnen trinkt. Zu dem Zeitpunkt waren wir allerdings die Einzigen im Hotel, welches Peace Inn heißt und ganz in der Nähe des Eingangs zum großen Buddha ist. Ich kann die Bude absolut empfehlen und wenn man nicht im Winter kommt, ist es auch ein bissel wärmer. Die Haltestelle für den Bus hatte uns der Hotelbesitzer übrigens anhand einer von seiner Frau bestickten Stoffkarte gezeigt. Ich war davon völlig begeistert.

Rezeption, Wohnzimmer und Schlafzimmer in einem

Am Abreisetag habe ich Vormittags noch einen kleinen Spaziergang gemacht und war mal wieder fasziniert von all den Eindrücken, die man innerhalb von 2 Stunden in China bekommen kann. Allen voran gab es einen Markt, der sich an der Straße entlang zog. Jeder verkaufte ein paar Kleinigkeiten. Da gab es selbst angebautes Gemüse, eine lange Theke mit Fleischhändlern, die z.B. Schweinefüße anboten. Mehrere Händler die jeweils ein paar Hühner dabei hatten… Die Straße folgend hatte man den Eindruck sofort ins Dorfleben einzutauchen. An allen Ecken wurde Gemüse angebaut, im nicht zu sauberen Wasser schwammen Enten und Gänse, die schon fast schlachtreif waren und die wilden Vögel duellierten sich gesanglich mit den Hähnen, die hier bei jedem dritten Haus zu finden sind. Eine tolle Welt, doch der Check Out-Termin trieb mich zurück zum Hotel. Gegenüber von selbigen stand bei meiner Ankunft ein Bollerwagen an dessen Rändern Schweinslungen aufgereiht lagen. Nebenan gingen Personen älteren Baujahres mit Wägelchen und Fahrrädern ein und aus um dort Berge von Kartons abzugeben und dafür etwas Geld zu bekommen.

Verkauf frisch vom Wagen
Hier leben die Tierchen noch
Bambus wächst überall

Noch ein Plus und Minus zu China. Nicht so toll ist, dass hier im Straßenverkehr ständig gehupt wird. Das geht echt auf die Ohren und ist meist völlig sinnlos. Sehr gut gefallen uns die zahlreichen sauberen und vor allem kostenlosen Klos.